„Willst Du das Leben deiner Eltern teilweise selbst wiederholen, so bleibe unbewusst, hinterfrage nichts
und suche die Verantwortung bei anderen.
Anke Sommer“
Stellen wir uns doch einmal vor, einen Unternehmer zu sehen. Er ist der Inhaber und damit der Kopf des Unternehmens. Unser Vorzeige-Unternehmer ist voller Ideen, Elan und Schaffenskraft.
Umso mehr wundert es uns, als wir ihn sieben Jahre nach Gründung wiedertreffen: Unser damals noch frisch aussehender Unternehmer wirkt nun angestrengt. Leichte Züge der Verbitterung sind seinen Mundwinkeln anzusehen.
Was ist passiert?
Unser Vorzeige-Unternehmer, Steffen, hat dank seiner großen Schaffenskraft ein gutes Unternehmen aufgebaut. Mittlerweile beschäftigt er 85 Mitarbeiter. Das Geschäft läuft soweit ganz gut. Woran er nicht gedacht hat, ist, seine ureigene persönliche Geschichte mit hinein zu nehmen.
Er ist Sohn eines Unternehmerpärchens, das in ihrer Historie an dem eigenen Geschäft verbrannt ist. Der Vater von Steffen starb mit gerade mal 50 Jahren an einem Herzinfarkt. Seine Mutter verbitterte daran, brachte das Geschäft aber noch gut über den Berg, bis sie es erfolgreich verkaufte.
Damit ist Steffen mit zwei gegenläufigen, systemischen Bewegungen konfrontiert. Die eine Bewegung strebt in den Erfolg, die andere Bewegung verbrennt am Erfolg. Begreift Steffen die Bedeutung seiner Historie hier nicht, wird er beiden Bewegungen in seinem Tun folgen.
Auf Dauer raubt es ihm die letzte Kraft. Rennt er nach vorne, bremst die unverarbeitete Trauer aus. Nur ist ihm das in keiner Weise bewusst. Heute wundert er sich nicht einmal darüber, dass er bei all seinem Erfolg nicht fröhlich und glücklich ist. Ganz im Gegenteil, er hält es für eine Normalität.
Agilität und Unbewusstheit vertragen sich nicht
Ein Unternehmen ist von Natur aus darauf angewiesen, agil zu sein. Je länger ein Unternehmen besteht, desto mehr Veränderungen musste dieses gesund überstehen, um den nächsten Entwicklungsschritt zu packen.
Vor allem das Aufstellen in der eigenen Spezialisierung erfordert unternehmerische Flexibilität. Die Spezialisierung muss einerseits einmalig und andererseits breit genug aufgestellt sein, um zukünftige, nicht vorhersagbare Engpässe zu überstehen.
Was das in der heutigen Zeit und Schnelllebigkeit bedeutet, liegt auf der Hand: Agilität braucht ein positives System, um nicht auf Dauer auszubrennen.
Positiv ist hier schnell erklärt. Um dem Anschauungscharakter gerecht zu werden, nennen wir es hier Plus-Systeme. Jede Handlung braucht eine positive Konsequenz und ist damit systemisch gesehen ein Plus.
Haben wir in einer Firma viele Plus-Faktoren zur Verfügung, dürfen die Verantwortungsträger gerne über alle Maßen nach vorne rennen, Vollgas geben und große Schritte wagen. Sie werden daran nicht kaputt gehen.
Plus-Faktoren liegen dann vor, wenn sich der Verantwortungsträger darüber im Klaren ist, dass er nicht nur aus seinem Frontallappen besteht. Er ist vielmehr auch eine Summe alter familienhistorischer Ereignisse, die ihn schon früh geprägt haben, sich in seiner Erziehung sowie in seinen Denk- und Verhaltensweisen wiederfinden. Kurz gesagt, sein Verstand spiegelt die historischen Ereignisse seiner Eltern wider.
Seine ureigene Agilität freut sich, sollte Steffen auf die Idee kommen, dass seine Trauer viel mit dem Ereignis seiner Eltern zu tun hat.
Wird ihm das nicht bewusst, wird seine persönliche und unternehmerische Agilität von den Mustern seiner Eltern geprägt bleiben. Also den beiden gegenläufigen systemischen Bewegungen, die schon bei seinen Eltern zu einem traurigen Ausgang geführt haben.
Denn auch seine Eltern haben ihre ureigene Agilität nicht gelebt, was bei seinem Vater zu dem tragischen Vorfall führte.
Wie trennen Sie Ihre Führungsagilität von Ihrer Historie?
Oder anders ausgedrückt: Wie schöpfen Sie gesund Ihr volles Erfolgspotenzial aus?
Im Folgenden stelle ich Ihnen 7 Schritte vor, mit denen Sie Ihre Agilität positiv leben können.
Schritt 1:
Werden Sie sich darüber bewusst, dass Sie – gesehen aus der Perspektive des Weltenlaufs – nur eine kleine, wenn auch tolle, Nummer sind.
Schritt 2:
Nutzen Sie Ihre Lebenszeit auch dafür, an Ihrer (Selbst-) Führung zu arbeiten. Der Ausgangspunkt der Selbstentwicklung ist die Erkenntnis, dass es Ihre bewusste Arbeit erfordert, damit Sie selbst erkennbar sind und nicht bloß die Summe Ihrer historischen Erfahrungen abbilden.
Schritt 3:
Erkennen Sie, wo Ihre Verhaltens- und Denkmuster denen Ihrer Eltern gleichen. Dann können Sie hier nicht mehr unbewusst sein. Sie haben sich damit einen Freiraum erarbeitet, in dem Sie selber Platz nehmen können. Sie können in diesem Raum also herausfinden, wer Sie ohne das übernommene Muster Ihrer Eltern sind.
Schritt 4:
Jetzt dürfen Sie auch Ihr Umfeld scannen. Auf welche Verhaltensweisen Ihrer Kollegen, Mitarbeiter etc. reagieren Sie empfindlich und übertrieben emotional? Achtung! Hier droht Verbrennungsgefahr.
Das heißt, hier ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie gerade einem alten Muster begegnet sind, was sich auch in Ihrer Familie wiederfindet. Auch, wenn es Ihnen nicht bewusst war, wiederholte sich hier eine Dynamik, die Sie aus Ihrer Familie kennen.
Schritt 5:
Nun ist die Entwicklung Ihrer ureigenen Agilität an der Reihe. Schaffen Sie sich tägliche Zeitfenster, in denen Sie an Ihrer Agilität arbeiten.
Das heißt, personifizieren Sie Ihre Agilität und befragen Sie diese, was sie sich von Ihnen wünscht. Was also sollen Sie tun, damit Ihre Agilität befriedigt ist?
Legen Sie dazu täglich mindestens fünf Tätigkeiten fest, die Ihre Agilität ausdrücken oder verfahren Sie ähnlich, wie der Unternehmer Steffen. Steffen entscheidet sich jeden Tag zumindest zehn weichenstellende Entscheidungen zu treffen und fortfolgend umzusetzen.
Schritt 6:
Haben Sie zwischenzeitlich das unbehagliche Gefühl, irgendwo festzustecken, machen Sie sich wieder auf die Suche nach alten Mustern (Schritt 3) und greifen Sie dieses Muster auch auf, indem Sie es benennen. Oft genügt die Benennung, damit es bewusst wird und Sie nicht automatisch zum Stolpern bringt.
Schritt 7:
Systeme mögen Klarheit. Schulen Sie Ihr System, also Ihr Team, Ihre Abteilung, Ihr Unternehmen. Trennen Sie Plus- von Minus-Faktoren – damit fühlt sich Ihr System wohler.
Je mehr Plus-Faktoren vorhanden sind, desto mehr können Sie sich gegenseitig vertrauen, voneinander lernen, miteinander wachsen – zum Nutzen aller.
Auf dieser Basis ist Leadership beweglich, da entwickelte Leader sich gegenseitig nichts wegnehmen. Auf dieser Ebene von agilem Leadership ist jeder so spezialisiert (einzigartig im Tun), dass er aus jeglicher Konkurrenz herausfällt. Hier sind Sie nicht mehr zu kopieren und können frei agieren.