© Bild: Anke Sommer
Innerhalb einer Krise fühlt es sich ausweglos an. Krisen sind jedoch eine Chance. Sie sind eine Möglichkeit hinzuschauen und in die Veränderung zu gehen.

Jeder hat das Potenzial zum Aussteigen…

Heute ist wieder einmal so ein Tag. Morgens schon bekomme ich eine SMS von einem meiner Lieblingskunden. Einem an der Persönlichkeitsentwicklung interessierten Unternehmer, aufgeschlossen, zielstrebig und irgendwie der Prototyp des Erfolgs. Es würde ihm schlecht gehen und ob es ratsam wäre, sich ‘mal zusammen zu hocken und über sein Geschäft gemeinsam nachzudenken. Er stände nun so ziemlich mit dem Rücken an der Wand und hätte zu gar nichts mehr Lust.

Oder da hätten wir die tatkräftige Powerfrau, eine Freundin, die kurz vor ihrem 50sten steht und das ausspricht, was schon viele Personen um mich herum zu spüren bekommen: Sie gehöre zur verratenen Generation: Der Generation von Frauen, die aus den geburtsstarken Jahrgängen der 60er Jahre stammt und so richtig „verarscht“ wurde. So langsam bekäme sie Schweißausbrüche, wenn sie nur andeutungsweise an ihre Altersvorsorge denke.

Und es geht noch besser! Da schaue ich nur so meine Straße – mitten in Berlin – entlang und erkenne Baustellen. Eine nach der anderen. Links von mir hat sich eine neuseeländische Vereinigung, sesshaft in Österreich, eines der alten Gründerzeitbauten geschnappt und saniert gerade alle Mieter heraus. Rechts von mir hat sich ein verzweifelter Mieter, der die steigenden Mieten nicht mehr zahlen konnte, einfach mal so das Leben genommen. Ein paar verwelkte Blumen erinnern an das Geschehen. In meinem Haus teilen sich nach einer höchst unerfreulichen Bauphase nun Italiener und andere Käufer die Wohnungen, Makler marschieren samt Gefolge und mit geschwollener Brust die Treppen hoch und runter. Stets unauffällige, sanfte und freundliche Nachbarn werden zu kämpfenden Dauergästen der Mieterschutzverbände.

Das ist so ein ganz normaler Tag in der Stadt, ein winziger Ausschnitt so vieler krisenhafter Momente im Leben. Wie gehen wir damit um? Augen zu und durch? Einmal alles klitzeklein schlagen? Geld besorgen und selbst eine Wohnung kaufen? Resignieren und hoffen, eine schwere Krankheit macht Schluss mit Lustig? Oder einfach warten bis eine bessere Phase kommt, bis die Sterne es wieder gut mit uns meinen und bis dahin sich dem Verdrängungsmechanismus hingeben?

Der Weg aus der Jedermanns-Krise

Nein, nun kommt nicht irgend so ein beruhigender Spruch, eine Lebensweisheit, die die innere Unruhe in eine stabile Balance verwandeln will.

Nein, es kommt eine Aufforderung und eine Bitte zugleich, die innere Unruhe, die solche Jedermanns- Krise anzeigt, als Signal zu verstehen, was uns auffordert hinzusehen und nicht weg. Was uns auffordert zu handeln und nicht zu erstarren. Was uns auffordert zu erkennen, dass wir da vielleicht ganz zu Recht unruhig reagieren.

Hier dürfen nicht die Augen vor Unstimmigkeiten verschlossen werden. Hier dürfen sich weder beruhigende Phrasen in schlaflosen Stunden um die Ohren gespielt werden, noch darf sich hier ein Versagergefühl breit machen. Sondern hier sollte sich ein Verständnisprozess einschalten, der da sagt, dass nicht alles in unserer Macht liegt. Dass wir auch Folgen anderer Fehlentscheidungen zu tragen haben. Dass sämtliche Parolen an unsere inneren, fleißigen Stehaufmännchen auch mal Pause haben. Und dass es auch eine Ungerechtigkeit gibt, die einfach nur widerlich ist. Oder, dass da vielleicht auch Missstände existieren, die ein Hingucken und Handeln brauchen.

Wenn dieser Verständnisprozess einsetzt, dann ist das der erste Schritt aus einer Jedermanns-Krise heraus, einem Krisenzustand, der durch Außeneinflüsse ausgelöst wird und automatisch in eine Überforderung mündet, wenn man innen versucht gegen zu halten. Verschließt man hier die Augen, dann kann aus so einer Jedermanns-Krise schnell ein bedrohlicher Zustand werden, denn alle Signale, die auffordern hinzusehen, um damit in eine Handlungsfähigkeit zu kommen, werden mit dem Wegschauen platt gemacht.

Wie aus einer Jedermanns-Krise eine Krankheit wird

Und wenn man denn doch ins Verharren geht, sich selbst für alles die Schuld gibt und trotz aller Signale unseres Körpers weiter macht, dann dreht sich die Jedermanns-Krise in einen krankhaften Zustand hinein. Dann hört der Außeneinfluss auf und wir Selbst werden zum Auslöser unserer Krise. Hier verlieren wir den Kontakt zu warnenden Außenstimmen. Wir halten uns wach und arbeiten fleißig weiter, denn die Arbeitsbedingungen würden das ja so verlangen. Wir bleiben im krankmachenden System und verharren dort tapfer, spielen Hilfestellungen anderer als unnütz herunter… Und werden, ehe wir uns versehen, ernsthaft krank.

Aussteigen geht (nicht) immer

Es wäre schön, wenn ich hier sagen könnte, aussteigen ginge immer. Jeder hat das Potenzial zum Aussteigen… aber nicht jeder tut es. Warum eigentlich nicht? Ganz einfach, weil dieser Ausstieg aus so einem Kreislauf durch ein Verstehen initiiert wird und dieses Verstehen braucht uns Selbst. Und das ist wahrlich nicht einfach, selbst zuständig zu sein für den Veränderungsprozess. Für den Anpfiff zur eigenen Veränderung. Wir müssen es verstehen. Wir müssen anhalten. Wir müssen die Augen aufmachen und offen werden für Unterstützung, für Austausch, für Zusammenschluss von Gleichgesinnten. Wir brauchen Mut zum Anhalten und zum Hinsehen und zum Handeln. Wir brauchen Kreativität zur Entwicklung neuer (alter) Ideen und nicht zu Letzt brauchen wir die Kraft wieder einmal aufzustehen, aber mit offenen Augen und nicht, um Weiterzumachen im alten Trott, sondern um hinzusehen, wo der persönliche Ausstieg auf uns wartet.

Ihnen wünsche ich den Mut und die Entscheidung zum Hinsehen, wenn Unstimmigkeiten ihr Leben über Gebühr belasten. Ihnen viel Kraft fürs Handeln.

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