Der Zweite Weltkrieg lebt bis in die Jetztzeit.
Als Begleiterin von unternehmerischen Prozessen begegnet mir der Zweite Weltkrieg in seinen Folgen regelmäßig. Denn innerhalb meiner Arbeit sehe ich nicht nur mein Gegenüber, den Kunden, der mit seinem Anliegen kommt, sondern ich sehe auch das, worin sich dieser Kunde bewegt. Welcher Systematik seine/ihre Gedanken folgen; welche Folgen dieses Denken auf seine/ihre Handlungen haben und was sich letztendlich daraus entwickelt hat. Das, was sich entwickelt hat, ist das System, was diesen Menschen umgibt. Dieses System ist voller Informationen und Automatismen. Jede Information hat eine Geschichte. Nun ist es wichtig, wie alt mein Gegenüber ist. Das Alter bestimmt die Geschichte des Systems. Ob es beispielsweise eine Unternehmerin ist, Jahrgang 1990 oder ein Geschäftsführer, deren Eltern noch den Krieg erlebt haben. Beide agieren unterschiedlich, denn wessen Eltern aktiv den Krieg erlebt haben, konfrontierten deren Kinder mit einer anderen Wirklichkeit, als spätere Eltern, die in ein wiederaufgebautes Deutschland hineingeboren wurden.
Ereignisse sind die Geister unserer Vergangenheit.
Erfahrungen prägen uns erheblich. Auch wenn diese Erfahrungen nicht durch uns selbst erlebt wurden. Haben wir Eltern, deren Einstellung zum Leben durch bittere Erlebnisse entstanden ist, werden sie diese Erfahrungen den eigenen Kindern weitergeben. Denn die Erfahrung prägte ihre Haltung Dingen gegenüber. Sie schaffte körperliche Reaktionen, die die Folge des Ereignisses anzeigen. Dieser Automatismus endet dann, wenn der Schrecken verarbeitet wurde, der sich hinter der Erfahrung verbirgt. Solange er unverarbeitet bestehen bleibt, ist er ein Teil des Systems, egal wie lange das Ursprungserleben zurück liegt.
Wie funktioniert die Informationsübertragung über Generationen?
Der Schrecken lebt in Informationen, die automatisch weiter gegeben werden, ohne sie zu reflektieren. Hat jemand zum Beispiel im Krieg eine Hinrichtung hinterm Eichenwald der Kleinstadt mitbekommen und verarbeitet dieses Erleben nicht, wird beispielsweise der Eichenwald unwillkürlich zum Auslöser, des unguten Gefühls. Damals reagierte der Beobachter mit Aufstoßen und Magenbrennen. Fehlt irgendwann die zu Grunde liegende Information- die Erschießung hinterm Eichenwald- wundert sich der Nachkomme über seine Reaktion auf Eichenwälder. Er versteht nicht, was sein Aufstoßen und Magenbrennen ihm erzählen will, sobald er sich Eichenwäldern nähert. So lässt er sich eventuell auf allergische Reaktionen untersuchen – ergebnislos.
Liegt das Ursprungserleben also lange zurück und wurde nicht befriedet, so lebt es trotzdem weiter, aber es ist kaum noch erkennbar, da viele erklärende Informationen mittlerweile fehlen. In meiner Arbeit sind es nur selten die Eltern aus Kriegsgenerationen selbst, die diese Veränderungs- und Entwicklungsarbeit vornehmen. Wobei ich auch Senior Chefs/Chefinnen hatte, denen es reicht, ein Leben lang die Begrenzung, die durch den Krieg in ihnen entstanden ist, fortzusetzen. Durch die Persönlichkeitsentwicklung erhalten sie die Erklärung zu ihren Signalen. Die neue Bewusstheit führt zum Nachlassen der automatischen Reaktionen. Ihr natürliches Leben kann stattfinden, also ihre Art zu fühlen, denken und handeln, ohne den Schatten der Gewalt im Nacken zu spüren.
Hauptsächlich aber sind es die Kinder der Kriegsgeneration, mittlerweile Verantwortungsträger in den unterschiedlichsten Positionen, die ins INSTITUT SOMMER kommen, um sich und ihr unternehmerisches Tun weiter zu entwickeln.
Krieg ist die Geburtsstätte vielfältiger Gewalt.
Im Grunde ist es die Gewalt, die das Überbleibsel aus den Kriegszeiten darstellt und bis heute die Nachkriegsgenerationen belastet. Je länger die gewaltige Erfahrung im System unbearbeitet bleibt, desto schwerer erkennbar ist ihr Ursprung. So plagen sich die Kinder der Eltern, die den Krieg erlebten, mit vielen Verhaltensweisen herum, die streng genommen im Krieg ihrer Eltern entstanden sind. Hinter der Schärfe ihrer Worte liegen auch unverarbeitete Schreckensszenarien, nur wissen sie es nicht oder sie sind mit einer Gefühllosigkeit konfrontiert, im sonst so gesunden Leben. Je mehr Generationen die Gewalt übersteht, desto kleinteiliger wird die Gewaltausübung. Gewalt bleibt aber Gewalt, egal wie hoch dosiert sie ist. Eine Metapher baut hierfür ein Verständnis auf.
Kein Ort, ohne einen Funken von Gewalt. Bewusstheit hilft.
Stellen Sie sich vor, Sie seien Teil einer Expertencrew, die sich auf einem Forschungsschiff aufhält, deren Auftrag darin besteht, das Meer zu bereisen, um das Wasser auf ihren Kunststoff- und Plastikgehalt hin zu untersuchen. Waren vor 20 Jahren noch Proben dabei, die keinen einzigen Plastikpartikel aufwiesen, so nimmt im Laufe der Zeit die Wahrscheinlichkeit ab, Plastik freie Proben herauszufischen. Das hat einen Grund. Mittlerweile ist die Kunststoffindustrie so fortgeschritten, dass zahlreiche Gewebe Kunststoff beinhalten. Somit transportiert jede Wäsche Kleinstteilchen in den Wasserhaushalt unserer Erde, denn es gibt zahlreiche Kunststofffasern. Irgendwann landen die Kleinstpartikel im Meer. Die Wirkung bleibt nicht aus. Das Plastik ist ein fester Bestandteil unserer Umwelt geworden, ob wir wollen oder nicht.
Ausschließlich ein bewusster Umgang mit dem Plastik, hilft nicht weiterer Teil der stetigen Umweltverschmutzung darzustellen. Der Check der Kleidungssachen, die wir tragen, in punkto Kunststofffreiheit sowie der weitgehende Verzicht auf den Kauf von Plastikwaren für Küche und Haushalt und das Ablehnen der Plastikeinkaufstüten gibt uns wenigstens das Gefühl, die Plastikflut nicht mehr gedankenlos zu unterstützen. Um das tun zu können, brauchen wir ein Bewusstsein für die Folgen des Plastiks für unsere Umwelt. Ähnlich verhält es sich mit der Gewalt. Sie wird immer mehr Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Es sei denn, jemand in unserem System, in dem wir arbeiten und auch leben beginnt, diese kleinteilige Gewalt zu erkennen und sich Stück für Stück von ihr zu distanzieren.
Gewalt ist überall.
Ähnlich der Plastikpartikel befindet sich mittlerweile die Gewalt fast überall. Wir müssen schon sehr bewusst sein, um weitgehend gewaltfrei zu leben. Die Gewalt ist ein fester Bestandteil unseres vernetzten Lebens geworden, was familiär oder auch im Arbeitsalltag sichtbar wird. Sie verbirgt sich im gefühllosem Verhalten anderer oder uns Selbst gegenüber, genauso wie in Machtspielen und Besitzansprüchen, in Intrigen und im Mobben, in bösen Blicken und unterdrückenden Verhaltensweisen. Weit gefehlt hat derjenige, der denkt, dass Gewalt ausschließlich das Schreien und Schlagen, das Foltern und Quälen beinhaltet. Das was Systeme wirklich belastet, ist die hoch verdünnte Gewalt, die keiner mehr so richtig als Gewalt erkennt. Sie wirkt vergiftend, weil kaum einer sie bemerkt und damit wird die Gewalt als Normalität toleriert. Sie ist selbstverständlicher Teil von Filmen, Spielen, Serien und Büchern geworden und gehört auch zu Teilen eines gepflegten Sarkasmus dazu. Der arrogante Umgang mit Mitarbeitern oder der nicht enden wollende Konflikt mit Kollegen sind Hinweise für die versteckte Gewalt, sofern die Ursache nicht gleich erkennbar ist.
Das körperliche Bewusstsein hilft die Gewalt zu entdecken.
Wer in Wirklichkeit auf die verborgene Gewalt reagiert, ganz abgesehen von der Bewusstheit, die wir hierüber besitzen, ist unser körperliches Wohlbefinden. Es ist das körperliche Bewusstsein, was einer Ampel gleich, auf die verborgene Gewalt reagiert. Einmal zeigt sich die Reaktion als Gefühl oder als Schmerz und zum anderen als Auslöser. Der Auslöser lässt Sie, unbewusst, gleich Ihrer Vorerfahrung, gewaltvoll reagieren. Die verborgene Gewalt kann also Ihre systemisch vorhandene Ursprungserfahrung auslösen, auch wenn es nicht Sie waren, die die Erfahrung gesammelt haben, sondern beispielsweise Ihr Vater. Folge dessen leben Sie die Gewalt Ihrer Eltern oder Vorfahren, es sei denn, Sie tun aktiv etwas gegen diese Automatismen. Wer ein Auge für diese verborgenen Signale entwickelt, sieht dies sofort. So sind auch diese Signale das Eingangstor zur Auflösung schwer sichtbarer, systemischer Altlasten, sei es in der Firma oder zu Hause. Wenn Sie sich diesem Blickwinkel öffnen, entdecken Sie die verborgene Gewalt. Damit haben Sie den ersten Schritt geschafft.
Erkennen Sie die versteckte Gewalt, dann sind Sie auch in der Lage Ihr persönliches Verhalten aus der Reichweite der Gewalt zu bringen. Das schaffen Sie, indem Sie sich distanzieren. Das heißt nicht unbedingt, dass Sie sich vom Gewaltfeld trennen müssen. Denn wo finden Sie ein gewaltfreies Umfeld? Auch wenn in Ihrer Familie die versteckte Gewalt vorhanden ist, eine Trennung ist nicht die angestrebte Lösung. Besser ist, Sie schärfen Ihre Bewusstheit und verhindern so, Teil einer Gewalt zu werden. Damit sind Sie schon einmal kein verstärkender Faktor mehr. Dieser Sachverhalt entlastet Firmen und Familien sowie Beziehungen ungemein. Wollen Sie das schaffen, so bedeutet es, dass Sie ins aktive Sehen gehen sollten. Sehen Sie die Gewalt um sich herum, so können sie aktiv daran beteiligt sein, nicht länger Teil der Gewalt zu sein. Auf Dauer gesehen, ist das der Weg, der Sie ziemlich gewaltfrei leben lässt. Kein Kampf, sondern die Kunst der Distanz hilft Ihnen, die Gewalt aus Ihrem Leben zu entfernen. Der Kampf gegen Gewaltstrukturen hingegen, zieht Sie in die Gewalt hinein. Sie werden Teil der Aufrechterhaltung verborgener Gewaltsysteme.